Migrationsmuseen sind ein relativ neuer Typus in der Museumslandschaft. Das erste Einwanderungsmuseum eröffnete 1990 in New York. In den Folgejahren eröffneten Museen in Melbourne, Halifax, Yokohama, Paris, Bremerhaven und vielen anderen Städten. Globale Vernetzung, Transnationalisierung, die Forderung neuer sozialer Bewegungen nach Anerkennung kultureller Identitäten sowie eine seit den 1970er Jahren zunehmende Wissensproduktion zum Thema “Migration” bilden den Kontext für das Entstehen staatlicher Politiken des Multikulturalismus, in die sich auch die Gründung von Migrationsmuseen einordnen lässt.
Den Migrationsmuseen wird in vielen Fällen von Regierung und Zivilgesellschaft die Funktion einer “Identitätsfabrik” (Korff/Roth 1990) zugeschrieben. Sie sollen Antworten auf die gefühlte Krise der Repräsentation finden, indem sie neue Narrationen und (nationale) Identitäten produzieren. Die Produkte dieser Fabriken scheinen jedoch sehr widersprüchlich: Einerseits stellen sie die menschliche Mobilität, soziale Transformationen und das Prozesshafte in den Mittelpunkt. Sie könnten dadurch potentiell eine postnationale Vision von Gesellschaft präsentieren, in denen das Überschreiten von territorialen und identitären Grenzen als Normalität beschrieben wird. Andererseits handelt es sich in vielen Fällen um Nationalmuseen. Sie sollen nicht zuletzt die Gültigkeit der Integrationsleistung der Nation als politischem Ordnungsmodell unter den Herausforderungen einer globalisierten Welt in Szene setzen. Im Ausstellungsraum materialisieren sich diese widersprüchlichen Repräsentationen von Mobilität und Sesshaftigkeit, von De-Territorialisierung und Re-Territorialisierung (Massey 1991; Urry 2004). Anhand ausgesuchter Inszenierungen in den Ausstellungen von zwei Migrationsmuseen, die ich in meiner Dissertation untersuche, dem Ellis Island Immigration Museum in New York und der Cité nationale de l´histoire de l´ immigration in Paris, werde ich aufzeigen, wie anhand der Ausstellungsinszenierungen unterschiedliche Vorstellungen des politischen Kollektivs produziert werden. Hierbei werde ich insbesondere auf die Rolle ästhetischer Darstellungen von Migrationsbewegungen (geographische Karten, visualisierte statistische Daten) eingehen und diese im Kontext der Ausstellungsnarrative diskutieren.