In meinem Vortrag möchte ich mich mit der Frage beschäftigen, inwieweit Wissen über neu auftretende Technologien bzw. Kulturtechniken kleinräumlich organisiert und differenziert ist. Dabei interessiert mich primär jene Form von Wissen, die nach Giddens als praktisches Wissen bezeichnet werden kann. Da es in den Vollzug von Praktiken eingelagert ist, kann es im Gegensatz zum diskursiven Wissen im Regelfall nicht expliziert werden. Dafür wird es Akteuren erst durch ihr praktisches Wissen möglich, ihr alltagsweltliches Handeln routiniert und habitualisiert zu vollziehen.
Im Rahmen einer akteursbasierten Perspektive liegt es nahe, nach individuellen oder kleinstgruppenspezifischen Unterschieden in der Umsetzung des praktischen Wissens im Alltagvollzug zu fragen. Denn selbst wenn neue Technologien bzw. Kulturtechniken in Form von diskursiv weitergegebenen Normen entwickelt oder übertragen werden, kann die individuelle Adaption der damit verbundenen alltäglichen Praktiken durchaus beträchtlich
voneinander abweichen. Dabei müssen derartige Differenzen keineswegs auf nachvollziehbare rationale oder zielgerichtete Motive zurückgehen. Vielmehr können auch ästhetische Präferenzen, Emotionen oder ähnliches dafür verantwortlich sein. Um diesen Handlungs-“Spielraum” bei der “richtigen” Durchführung von Praktiken besser zu fassen, scheint mir der Begriff des Eigensinns des Alltagshistoriker Alf Lüdtke bestens geeignet. Er kann etwa dazu dienen, Praktiken mit hohem individuellem Gestaltungspotential von solchen zu unterscheiden, die stark normiert sind.
Ich betrachte Wissensräume also als Handlungsräume – als Räume der einheitlichen Durchführung konkreter Praktiken. In welchem Maße verschiedene Handlungsräume durch Eigensinn geprägt sind, möchte ich im Kontext des vermehrten Auftretens technologischer Neuerungen bzw. neuer Kulturtechniken untersuchen, wie es für die neolithischen und frühchalkolitischen Siedlungen der südturkmenischen Jeitun- und Anau 1A-Horizonte angenommen wird. Die empirische Grundlage meiner Untersuchung bildet die mikroarchäologische Analyse von Bodenproben, die auf der seit 2010 laufenden Grabung in Monjukli Depe, Südturkmenistan gewonnen wurden.