Seit Juli 2004 wird die Performance Isabellas Zimmer des niederländischen Künstlers Jan Lauwers und der von ihm mitbegründeten Needcompany weltweit erfolgreich aufgeführt. In ihrem Zentrum steht eine reale Erbschaft: Eine auf der Bühne präsentierte Auswahl einer über 5800 archäologische und ethnologische Objekte umfassenden Privatsammlung.
Mit dem Tod des Vaters Félix Lauwers (1924 – 2004) hat die Sammlung ihren bisherigen Aufstellungsort und ihre einstige Bestimmung verloren. Die Erbschaft impliziert einerseits die Möglichkeit eines Neuanfangs, andererseits die Einsicht in die “Schwere” ihres Antritts und die damit einhergehende, ethische (und logistische) Verantwortung. Erst vom Zeitpunkt der unerwarteten Erbschaft wird begreifbar, dass Félix Lauwers nicht nur Vater, sondern auch passionierter Hobbyarchäologe und Sammler war. Dass der Tote zu diesem bis dahin unhinterfragten Aspekt seines Lebens nicht mehr Rechenschaft ablegen kann, gehört zum unbefriedigend-defizitären Anteil der moralischen Erbschaft, die in der materiellen immer enthalten ist (vgl. Derrida: Marx” Gespenster). Was bleibt, sind die sehr heterogenen, meist aus dem Alten Ägypten und dem südlich der Sahara gelegenen Afrika stammenden Objekte, deren Geschichte(n) mit ins Grab genommen wurden. Seit dem Tod des Vaters, mit dem – historisch verspätet – aus familialer Sicht auch ein bestimmter Typus, nämlich der unschuldig-passionierte Sammler, gestorben ist, werden die gesammelten Objekte nur noch schlaglichtartig live on stage sichtbar gemacht, während sie die meiste Zeit der Dunkelheit von Transportkisten und Lagerräumen ausgesetzt sind. Ihre inzwischen gut acht Jahre andauernde, nomadische Existenz im Rahmen flüchtiger Theateraufführungen lässt sich als bewusst offene, provisorische Antwort auf ein persönliches Dilemma zwischen dem Impuls des Zeigens und dem des Versteckens verstehen.
So positioniert, verweist Isabellas Zimmer exemplarisch auf die gesellschaftliche Ratlosigkeit hinsichtlich eines adäquaten Umgangs mit der exorbitant anwachsenden Zahl der zur Kunst erhobenen, dem sozialen Kreislauf für immer entzogenen Objekte aus Privatsammlungen, Museen und Depots. Der aufführungsimmanente Zirkulationsprozess forciert zum einen die reale “Gefährdung” der weitgehend schutzlos ausgestellten Objekte, zum Anderen mobilisiert er ihre stetige Transformation durch künstlerische und soziale Praktiken, vor allem in Interaktion mit Performern und Zuschauern. Eingebettet in zeitgenössische Diskurse zur agency der Dinge aus Perspektive der material cultural studies stellt sich die Frage nach dem epistemischen und sinnlichen Zugewinn durch den (Medien-)Transfer der Sammlung von einer geschützten und geordneten Privatsphäre auf die offene, scheinbar chaotische Bühne im Kontext der Aufführung.