In geplanten Beitrag soll eine Möglichkeit diskutiert werden, die wissenschaftsgeschichtlich nachweisbaren Raumbezüge früher archäologischer1 Wissensproduktion in Deutschland zu periodisieren.
Am Beispiel der archäologischen Burgwallforschung in Ostdeutschland im 20. Jahrhundert wurde jüngst gezeigt, welche Vielfalt archäologischer Forschungsräume mit diskursiver Infrastruktur (Institutionen, Forschungsgegenständen, Terminologie) sich einerseits aus der Chorologie archäologischer Phänomene und andererseits in engem Austausch mit administrativen Raumordnungen entwickelt hat (Grunwald i. Vorb.). Dabei wurden die Entstehung, Hierarchien, Interferenzen und Abfolgen/Traditionen dieser unterschiedlich strukturierten, stets temporären kollektiven Wissensräume dezidiert beobachtet.2
Seit der universitären Institutionalisierung der Prähistorischen Archäologie ab dem Ende des 19. Jahrhunderts orientierten sich deren Wissensräume verstärkt an eindeutig bestimmbaren, politisch-administrativen oder fachspezifisch-organisatorischen Raumordnungen. Ich möchte diskutieren, ob sich in Abgrenzung dazu für die ältere, voruniversitäre archäologische Wissensproduktion (bis Ende 19. Jh.) kleinformatigere Wissensräume systematisch nachweisen lassen. Diese Wissensräume werden im geplanten Beitrag als wissenschaftliche Reviere einzelner Forscher bezeichnet.
Um den Nachweis solcher Reviere zu führen, wird danach gefragt, ob und wie die Entdecker archäologischer Funde die Deutungshoheit über diese Funde ausübten und ob der Fundort in einem Fundraum als wissenschaftliches Revier kommuniziert wurde. Läßt sich von dieser Form individueller Raumordnung die Arbeit kollektiver Forschung im Rahmen von Altertumsvereinen, Sammlungen und Museen abgrenzen und welchen Einfluß hatte sie auf den Raumbezug des einzelnen Forschers – gingen wissenschaftliche Reviere immer folgerichtig in
Vereins-“räumen” auf?

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1 Prähistorische Archäologie/Ur- und Frühgeschichte/Vor- und Frühgeschichte/Urgeschichte.
2 Die Raumbezogenheit archäologischer Forschung wurde bislang weder in den Sciences studies, der Wissenssoziologie noch in der allgemeinen Wissenschaftsgeschichte dargestellt, wo man mehrheitlich bis heute einem wissenschaftlichen Universalismus folgt. Die Lokalität der Wissensproduktion (u.a. Latour/Woolgar 1986; Rheinberger/Hagner/Wahrig 1997) wie die der Wissensverstetigung (Gardt/Schnyder/Wolf 2011) wird inzwischen thematisiert, ebenso die erforderlichen kreativen Milieus, aber dies mehrheitlich für wissenschaftliche Disziplinen mit nichts-ortsgebundenen Untersuchungsgegenständen (physikalische Gesetze; menschlicher Organismus; Klima; etc.) (u.a. Fleck 1980; Stichweh 1984).

Bibliographie:

  • Fleck 1980: L. Fleck, Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv (Frankfurt a. M. 1980).
  • Grunwald i. Vorb.: S. Grunwald, Die archäologische Burgwallforschung in Sachsen (1900-1961). Ein Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte der Archäologie.
  • Latour/Woolgar 1986: B. Latour/S. Woolgar, Laboratory Life, The Construction of Scientific Facts (Princeton 1986).
  • Gardt/Schnyder/Wolf 2011: Andreas Gardt/Mireille Schnyder/Jürgen Wolf (Hrsg.), Buchkultur und Wissensvermittlung in Mittelalter und Früher Neuzeit (Berlin u.a. 2011).
  • Rheinberger/Hagner/Wahrig 1997: H.-J. Rheinberger/M. Hagner/B. Wahrig Schmidt (Hrsg.), Räume des Wissens. Repräsentation, Codierung, Spur (Berlin 1997).
  • Stichweh 1984: R. Stichweh, Zur Entstehung des modernen Systems wissenschaftlicher Disziplinen – Physik in Deutschland 1740-1890 (Frankfurt a. M. 1984).