Mosaiken, San Vitale in Ravenna, Mitte 6. Jh. / Collage mit Fotos von Ruge, CC BY-SA 4.0 via commons.wikimedia.org

Wie lange dauerte eigentlich die Antike? Kaum eine vormoderne Epoche hat in den vergangenen Jahrzehnten einen solchen Aufschwung in der Wahrnehmung der historisch interessierten, nicht nur wissenschaftlichen Öffentlichkeit genommen wie die Zeit der ausgehenden Antike. Mit der Zunahme des Forschungsinteresses ging dabei interessanterweise auch die Ausweitung des als “Spätantike“ bezeichneten Zeitraumes einher. Seit Altertumswissenschaftler sich der Einsicht zu öffnen begannen, dass die Zeitspanne der ausgehenden Antike einer eigenen Betrachtung würdig ist, ist immer wieder über mögliche Epochendaten für deren Ende gestritten worden, die vom Beginn der “Völkerwanderung“ (375) über den Zusammenbruch des weströmischen Reiches (476) bis zur Kaiserkrönung Karls des Großen (800) reichen. Vermehrt gilt das Interesse der Ausstrahlung und Transformation der antiken Kultur im Entstehungsprozess von deren Nachfolgekulturen – dem westlichen Mittelalter, Byzanz und den frühen Islam. Zugleich mehren sich aber auch Zweifel an der Angemessenheit des im westlichen Geschichtsdenken wurzelnden modernen Epochensystems. Eine Antwort auf die eingangs gestellte Frage nach der Dauer der Spätantike würden daher heute wohl viele Historikerinnen und Historiker mit den Worten des für das Epochensignum “Spätantike“ maßgeblichen Althistorikers Peter Brown geben: “Im Zweifelsfall immer länger, als man denkt!

Doch was meint der Begriff “Spätantike” eigentlich, wie ist er in Mode gekommen und auf welchen Zeitraum lässt er sich sinnvollerweise beziehen? Eignet ihm als Epochenbegriff überhaupt Kohärenz und welche Vorteile hat es, wenn wir von “Spätantike” sprechen? Warum scheint die Annahme einer (produktiven) Spätzeit der Antike unserem heutigen Geschichtsverständnis mehr entgegenzukommen als früheren Wissenschaftlergenerationen, für die Niedergang und Dekadenz die ersten Assoziationen waren, die sie mit dem Ausgang der Antike verbanden?

Die Ringvorlesung möchte Fragen dieser Art ausgehend von aktuellen und laufenden Forschungen behandeln und dabei den Anteil der verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen an der Erforschung der Spätantike beleuchten.

Program

16.10.2018
18:15 - 19:45
"Spätantike": Vom Nutzen und Nachteil einer Epochenbezeichnung
Stefan Esders
23.10.2018
18:15 - 19:45
Die Spätantike - ein staatlicher Transformationsprozess?
Claudia Tiersch
30.10.2018
18:15 - 19:45
Spätantike Kleine Eiszeit und Wandalen-Minimum?
Epochengrenzen und Rhythmen der Klima- und Umweltgeschichte in byzantinistischer und globaler Perspektive
Johannes Preiser-Kapeller
6.11.2018
18:15 - 19:45
Der römische Kontext des frühen Islam
Mischa Meier
13.11.2018
18:15 - 19:45
Das letzte Jahrhundert Ägyptens im byzantinischen Imperium und sein erstes Jahr-hundert im Kalifat aus der Froschperspektive des papyrologischen Befundes
Tonio Sebastian Richter
20.11.2018
18:15 - 19:45
‚In unam reducere consonantiam‘ – Justinians Verhältnis zur Überlieferung des römischen Rechts
Cosima Möller
4.12.2018
18:15 - 19:45
Neue Formen der Identitätsbildung in der Spätantike
Walter Pohl
11.12.2018
18:15 - 19:45
"Untote“ Geschichten aus der Spätantike
Danuta Shanzer
18.12.2018
18:15 - 19:45
“Neue Römer” in der Spätantike
Susanna Elm
8.1.2019
18:15 - 19:45
Rhetorik einer Umbruchszeit: Cassiodor, die Goten und das spätantike Italien
Gerda Heydemann
15.1.2019
18:15 - 19:45
‚Episcopus plebi dei‘ und ‚heres Petri‘: Rom und das Papsttum in der Spätantike
Steffen Diefenbach
22.1.2019
18:15 - 19:45
Zeit der Unbedingtheit
Die Spätantike und der Verlust von Vielfalt
Hartmut Leppin
29.1.2019
18:15 - 19:45
Late Antiquity: An Iranian perspective
Richard E. Payne
5.2.2019
18:15 - 19:45
Spätantikes Mittelalter?
Münzprägung von Diocletian zu Karl dem Großen
Karsten Dahmen
12.2.2019
18:15 - 19:45
Spätantike in der Mikroperspektive: Die nordafrikanische Stadt Simitthus (Chimtou, Tunesien)
Philipp von Rummel